Kap Farvel Fjorde 2018

Kap Farvel Fjorde 2018

Nanortalik / Südgrönland im August 2018: Mit dem Umlegen des Hebels, öffnet sich quietschend der Container. 11 lange Monate hatten wir unsere beiden Kajaks in dem Container von Niels eingelagert. 11 Monate Sehnsucht nach Grönland. Wir sind so froh wieder hier zu sein. Fühlt sich irgendwie wie zu Hause an. 2017 mussten wir wegen des wechselhaften Wetters die geplante Fahrt in die Fjorde nördlich des Kap Farvels mit der Umrundung von Pamiagdluk abbrechen. Zu tricky war die Wetterprognose mit hohen Windgeschwindigkeiten, da wir auch den Rückweg über die Open Sea Passage zurück nach Nanortalik einplanen mussten. 2018 haben wir etwas mehr Zeit eingeplant, denn wir wollen unbedingt nochmal in diese sagenhafte Gegend und ein bißchen weiter in Richtung Osten zur Christian IV Insel. Spitze, schneebedeckte Berge mit traumhaften Fjorden – wild und einsam. Kaum zu glauben, dass es so etwas auf unserem Planeten noch gibt.

Startvorbereitung in Nanortalik

Bevor wir starten, haben wir noch viel zu erledigen. Die Kiste mit dem Gewehr lagert schon einige Zeit bei Niels im Lager. Über 20 Schrauben sind in den Deckel eingedreht. Wir haben leider nicht den richtigen Torx Schraubendreher zum aufschrauben dabei. Kleinigkeiten können ganz schön aufhalten. Wir fragen uns bei den Handwerkern von Nanortalik durch. Alle schütteln den Kopf. Endlich werden wir bei zwei super netten Jungs fündig, die gerade eine Fassade im Hafen renovieren. Und so lässt sich auch ruckzuck die Kiste öffenen. Im großen Brugsen Supermarkt halten wir Ausschau nach „Reinigungsbenzin“ für unseren Kocher. „Komplett ausverkauft“, erklärt uns der dänische Marktleiter, „aber probiert es doch einfach mal bei der Konkurenz“. Also rüber zum Pilersuisoq Supermarkt. Da gibt es im Grunde alles vom Fahrrad bis zur Waschmaschine, aber es steht auch hier kein „Rensebenzin“ im Regal. Wir sehen uns schon mit rußendem Normalbenzin unsere Suppen kochen, als eine strahlende Grönländerin mit einer Schachtel und 8 Flaschen Rensebenzin aus dem Depot kommt. Problem erledigt. So läuft das den ganzen Nachmittag und am Ende des Tages ist unsere Arbeitsliste erfolgreich  abgehakt. Geht doch! Bemerkenswert ist an diesem Tag noch folgendes: Hunderte von Australiern und Engländern sind unterwegs und fluten die kleine Stadt. Der Grund: Ein schneeweißes Kreuzfahrtschiff liegt vor Anker – einmal um die Welt –  Zwischenstopp in Grönland. Eine Dame aus Adelaide, weit über über 80 Jahre alt, macht ein Foto von uns und wir kommen mit ihr ins Gespräch. Sie will noch einmal die Welt umrunden und wäre sie jünger, würde sie natürlich auch das Kajak nehmen. Wir unterhalten uns eine ganze Zeit und schlussendlich wünschen wir uns gegenseitig  „Good luck on your journey“. Bei solchen Begegnungen wird uns eines wieder richtig klar: Du musst Deine Träume realisieren und zwar rechtzeitig! Besser nicht zu lange warten!

Zu guter letzt: Mein rotes Boot braucht noch einen Namen: AAPPILATTOQ halte ich für mein großes und etwas träges Kajak für passend. Auf grönländisch großer roter Berg oder rote Seeannemone. Und dann ist da noch etwas: Aappilattoq heißt auch die letzte Siedlung vor dem Prins–Christian–Sund und der Ostküste, welche wir erneut anlaufen werden. Menschen an einem sehr einsam Platz. Mit einem Schluck Rotwein stoßen wir an: Auf eine glückliche Reise!

Früh sind wir auf den Beinen. Das Gepäck für mehrere Wochen wird in den Luken verstaut. Mit auflaufender Flut stoßen wir uns vom Ufer ab. Es geht los – ein unbeschreibliches Gefühl der Freiheit durchstömt uns. Genau deshalb sind wir unterwegs. Nach nur wenigen Minuten verschluckt uns der Nebel. Mit dem GPS navigieren wir uns über den Tasermiutfjord und erst im Laufe des Morgens hebt sich das Grau. Milchig scheint die Sonne durch die Wolken.

Silbergraue Landschaft – an manchen Tagen wirkt Grönland monochrom und geheimnisvoll

Die Strecke nach Frederiksdal  kennen wir noch gut vom letzten Jahr. Ein Eisberg verstopfte damals spektakulär die Ausfahrt aus den sicheren Schären. Zwischen Felsen und Eisberg quetschten wir uns auf das Meer. Wie Korken torkelten wir durch das Kabbelwasser. Die Wellen waren beeindruckend – haben wir nicht vergessen. Heute läuft es dagegen gut. Die Bedingungen sind ordentlich. Die Dünung hebt und senkt die Kajaks eher unmerklich. Es geht voran. Bis zum Abend liegen satte 40 Kilometer hinter uns. Für den ersten Tag mit den schweren Booten ganz odentlich. Wir spüren es in den Oberarmen.

Auch der nächste Tag empfängt uns mit Nebel und später mit leichtem Nieselregen. Dennoch ist der Torsukkatakfjord großartig; im wahrsten Sinne des Wortes. Superlative nutzen sich ab.  Aber es ist so, wie wir das hier schreiben: Es ist einfach nur großartig, auch wenn wir diese Strecke bereits 2017 gefahren sind. Das Wasser gurgelt entlang des Kajaks. Stunde um Stunde fahren wir tiefer in den Fjord hinein und können uns kaum sattsehen. Schwarz, grau und silber wechseln sich ab – irgendwie monochrom. Nebel zwischen den Felsen und auf dem Meer in allen Facetten.

Nach einem nebligen Tag erreichen wir Stordalen in der Abendsonne
Beste Aussichten: Blick nach Pamiagdluk

Und am Ende des Tages kommt am Ende des Fjords in Stordalen die Sonne durch die Wolken – geradezu episch! Hier wollen wir erstmal bleiben. Die Bucht liegt geschützt zwischen den Bergen. Den Ruhetag nutzen wir für ein ausgiebiges Frühstück und für das Sortieren der Ausrüstung. Das diesmal mitgenommene Gewehr ist sperrig. Wasserdicht verpackt nimmt es ganz schön Platz weg. Nach endlosen Überlegungen und Diskussionen mit anderen Reisenden, Einheimischen und „Experten“ haben wir uns für eine Langwaffe mit dem Kaliber 30.06 entschieden. Nachdem im Vorjahr 8 Eisbären in Südgrönland am Kap Farvel unterwegs waren, wollten wir dieses Jahr nicht völlig wehrlos sein. Zudem haben wir einen Alarmzaun mit Stolperdraht dabei, den wir nachts um das Zelt stellen können. Eisbären sind in Südgrönland eher selten. Sie treiben manchmal mit dem Packeis des Ostgrönlandstroms um das Kap Farvel herum und gehen hier an Land. Eine Begegnung ist nicht besonders witzig. Grizzly Pfefferspray aus Amerika wäre eine super Alternative gewesen. Leider ist die Einfuhr nach Grönland verboten.

Auf jeden Fall macht das Gewehr ordentlich Lärm. Das Echo der Probesschüsse hallt lange zwischen den Bergen. Nachmittags steigen wir auf den Berg auf der anderen Seite des Flusses. Leider verfolgen uns tausende von Quälgeistern bis zum Gipfel. Es ist nicht zu glauben, dass diese Moskitos mit ihrem winzigen Muskelapparat so dermaßen ausdauernd sind. Eines ist schon mal klar. Das Moskitonetz ist wichtiger als unser Eisbärenschreck. Dafür ist die Aussicht auf die Fjorde phänomenal. So etwas Schönes haben wir noch nie gesehen! Ein Geschenk ist es, das zu erleben. Am nächsten Morgen packen wir alles wieder ein und setzen unsere Reise fort. Kurs Ost mit einem kurzen Stopp in Aappilattoq. Diese phantastische Siedlung besteht aus weniger als 100 Einwohnern. Fischerei und Jagd sind die Haupterwerbsmöglichkeiten. Immerhin gibt es eine Schule mit einem Gemeinschaftshaus, einen kleinen Supermarkt, eine Fischverarbeitung und natürlich einen Fußballplatz. Der Ort ist im Prinzip nur mit dem Boot zu erreichen. Steile Felswände begrenzen den Ort. Man darf sich hier einfach nicht auf die Nerven gehen, sonst wird es eng. Weg kannst Du im Prinzip nur mit dem Boot oder falls es die Finanzen zulassen, mit dem Hubschrauber. Wir verständigen uns mehr mit Händen und Füßen. Englisch und dänisch wird kaum gesprochen und unser grönländischer Wortschatz ist mehr als rudimentär. Mit Johannes vom Supermarkt können wir uns ein wenig unterhalten. Er zeigt uns auf der Karte ein paar alte Inuitsiedlungen, welche wir uns ansehen wollen. Noch vor wenigen Jahrzehnten lebten hier die Familien in Erdhäusern. Gejagt wurde mit den Kajaks (grönländisch Qajaq). Heute gibt es in Aappilattoq offenbar kein einziges Kajak mehr.

Der Ikeq mit der Insel Sangmissoq

Dabei ist es eines der genialsten Erfindungen im Bootsbau. Flexibel, leicht, schnell und sicher um nur ein paar der tollen Eigenschaften zu beschreiben. Abends legen wir wieder ab und setzen unseren Kurs Richtung Osten fort. Zwei Tage ist es grau in grau. Zwischendurch besteigen wir als Ausgleich für die Beine im Nebelgrau den Berg Pkt. 788m. Auch hier verfolgt uns die Moskitowolke bis knapp unter den Gipfel. Als wir dann mit den Kajaks die Fjordkreuzung Ikeq erreichen, spannt sich über uns ein Regenbogen. Für einen kurzen Moment färbt sich der Himmel in alle möglichen violett und Blautöne. Wetterbesserung ist in Sicht.

Den Ikeq überqueren wir morgens bei Sonnenschein und Windstille. Überall blau. Wir tauchen die Paddel in blaues Fjordwasser und über uns leuchtet ein stahlblauer Himmel. Ein Traumtag ist es heute. Unser Ziel, die Christian IV Insel liegt vor uns und auflaufendes Wasser treibt uns in die zum Anlanden geplante Bucht. Sie ist erreichbar über eine enge Durchfahrt und öffnet sich danach spektakulär. Knirschend laufen wir auf den Strand auf und ziehen die Kajaks ein paar Meter höher. Einen besseren Platz für unser Basecamp hätten wir nicht finden können. Von hier aus können wir einen Teil der Insel erkunden. Der Zeltaufbau ist Routine. Danach ab in den Fluss. Es ist saukalt, aber das Gefühl danach ist irre mit aufgetauten Füßen und frischen Klamotten. Prädikat: Großartig! Den Rest des Tages verbringen wir mit Wäschewaschen, Gegend erkunden und Faulenzen. Gute Tage muss man für so etwas nutzen. Viel dreht sich um das Essen. Ingrid hat alles ausgeklügelt. Mit dem Dörrapparat wurden Wochen vorher Linsen, Chilli con Carne, Gemüse, Eintöpfe gedörrt und verschweißt. Für den täglichen Gebrauch gönnen wir uns eine halbe Zwiebel und einen halben Apfel. Dazu Nudeln und Couscus. Fische ergänzen unser Essen. Hin und wieder gehen uns Saiblinge an den Haken. Der Saibling ist der leckerste Fisch. Mit Pfeffer und Meerrettich ein Gedicht. Die Metzgerei Trettenhann aus Tegernsee versorgt uns zudem wie jedes Jahr mit Kaminwurzen und Speck. Eingeschweißt hält das ein paar Wochen. Trotzdem werden wir immer schwächer. Im Grunde verbrauchen wir zuviele Kalorien, obwohl wir essen wie die Scheunendrescher.

 

Wild: Die Christian IV Insel

Die nächsten Tage verbringen wir in der Bucht und auf den Bergen drumherum. Den richtigen Weg zu finden ist manchmal eine Herausforderung. Einmal versteige ich mich so, dass der Ausweg nur durch einen tropfenden Kamin führt. Oben eröffnet sich dafür ein phantastischer Blick in die wilde Berg- und Fjordlandschaft. Der Föhnwind bläst unruhig. Die gute Wetterphase ist schon wieder durch. Aber die Stimmung ist irgendwie gewaltig. Kein Mensch weit und breit – nur wir zwei. Wildnis wie hier ist nach unserem empfinden echter Luxus. Kein Lärm, keine Autos – Stille. Wir sausen die Schneefelder hinunter, über die wir mühsam aufgestiegen sind und treffen im Weiden- und Birkengebüsch doch ein Lebewesen. Eine Schneehenne ist mit ihren 3 Küken unterwegs. Bei trübem Wetter setzen wir unsere Reise durch die Fjorde fort. Die Kap Farvel Insel (Eggers Ø) ist nur kurz zwischen den Nebelbänken zu sehen und dann setzt der Regen ein. Abends laufen wir, begleitet von einer mächtigen Bartrobbe, eine Bucht an. Das Zelt bauen wir auf einer Anhöhe im Regen auf und im leichten Regen am nächsten Morgen auch wieder ab.

Camp im Prins-Christian-Sund
Vom Inlandeis fließen die Gletscher in die Fjorde

Die nächsten Tage treiben wir uns in den Fjorden nördlich von Aappilattoq herum. Von Kangerdluk wandern wir in das Tal in Richtung Qingeq Kujardleq im Westen. 2017 waren wir in Qingua. Nun sehen wir die Bergwelt aus der östlichen Perspektive. Es lässt sich dort prima wandern. Keine Zwergbirken und Weiden wie drüben im Quingua.  Vorsichtshalber haben wir unser Zelt nochmals an einen windgeschützten Platz verlegt. Der vorhergesagte starke Wind bleibt jedoch aus – gut so. Anschließend fahren wir nach Nuk. Die Siedlung wurde vor ein paar Jahrzehnten aufgegeben. Die Gräber und die Reste der Siedlung sind noch zu sehen – irgendwie spooky. Dennoch ein schöner Platz. Am nächsten Tag Traumwetter. Bei strahlendem Sonnenschein geht es in den Nup Kangerdlua mit seinem spektakulären Gletscher am Ende des Fjords. Am Abend kommt dann doch noch Wind auf. Wir kämpfen auf der Rückfahrt gegen Strömung und Wind genau gegen die Sonne. Dabei kollidiere ich beinahe mit einem im Wasser treibenden kompakten Eisklotz. Glasklares Eis – im Gegenlicht kaum zu sehen. Puh.

Von den Camps aus steigen wir immer wieder auf Berge. So haben wir uns das vorgestellt: Mit den Kajaks zu entlegenen Plätzen und dann rauf auf die Berge. Viele Tiere haben wir 2018 nicht zu Gesicht bekommen. Vielleicht liegt das an dem besonders schlechten Sommer. Aber immerhin sichten wir zwei hübsche Schneehasen. Bevor es wieder nach Aappilattoq geht, fahren wir nochmal in den Prins-Christian-Sund. Dabei begegenen wir der MS Deutschland. Luxusliner meets Kajak.

 

 

In der Dämmerung laufen wir Aappilattoq an.

Auf dem Rückweg vom Prins-Christian-Sund müssen wir uns wegen den hohen Wellen überraschend in eine Felsspalte verzupfen. Weiße Wellenkämme. Zwischen Felsen und einer Schneewehe bauen wir mit Steinen und Felsbrocken unser Notfallbiwak auf und beobachten das unruhige Meer und die in Sichtweite liegende Siedllung. Wird das besser oder zieht der Wind jetzt richtig an? Für den morgigen Tag ist noch mehr Wind gemeldet. Auf alle Fälle ist das hier kein lauschiger Platz um tagelang auf Wetterbesserung zu warten. Es ist Nachmittag und wir kochen uns erstmal etwas zum Essen. Vielleicht ist es nur der nachmittagliche Fjordwind oder ist das schon der vorhergesagte Sturm? Als es dämmert fährt der Wind runter, die Wellen werden weniger und wir entschließen uns für die Überfahrt. Es wird dunkel. Wir sehen die Lichter von Aappilattoq und dahinter die mächtige schwarze Felswand mit dem markanten Doppelgipfel. Nach einer Stunde laufen wir unbemerkt in den Naturhafen ein und stellen im Schein der Stirnlampe unser Zelt auf. „Give me Five!“

Aappilattoq – eine Siedlung am Rande der Welt

Alles richtig gemacht. Wir schlafen mal wieder wie die Murmeltiere und der Morgen weckt uns mit blauem Himmel. Das ist viel, viel besser als in der Felsspalte festzusitzen. Im Dorfladen gibt es frisch gebackenes Brot. Gierig verschlingen wir auf einem Felsen sitzend das Frühstück. Zügig nimmt der Wind zu und mittags bläst er bereits heftig aus Südwest. Weiße Kämme auf dem Meer. An der Pier hat eine Segelyacht festgemacht. Es ist die SY LUNA aus Fehmarn. Zwei Schwestern sind die Eigner, unterwegs zurück von Westgrönland nach Deutschland. Mit an Bord ein paar Kletterer. Nach 2 Wochen draußen und allein in den Fjorden ist es schön, sich auszutauschen. Die Kletterer wollen noch einen Besteigungsversuch auf Pamiagdluk am Ingrids Toppen starten und danach wollen die 4 Frauen an Bord ohne die Männer den Atlantik überqueren. Coole Sache!

 

Sturmtag zwischen Nanortalik und Alluitsup Paa

Da wir den Weg zwischen Nanortalik und Aappilattoq 2017 und 2018 inzwischen 3x mit den Kajaks gefahren sind und wir wegen der Weiterfahrt etwas in Zeitnot sind, fahren wir mit dem Boot der Diskoline zurück nach Nanortalik. Die Kajaks verladen wir auf das Motorboot und ab geht die Post. Die Besatzung der Luna und Johannes vom Dorfladen winken uns zum Abschied. Im Vollgasmodus brechen wir durch die Wellen und werden kräftig durchgeschüttelt. Das Boot scheint bei diesen Wellen etwas am Limit zu sein. Zum Glück gehen unsere Kajaks nicht über Bord. Gegen Mittag erreichen wir, ohne seekrank geworden zu sein, die Ortschaft Nanortalik. Dort bereiten wir uns auf die Etappe nach Narsaq vor. Vorräte einkaufen, Ausrüstung sortieren und die Akkus der Kameras laden. In Nanortalik treffen wir auch Tara. Etwas über 20 Jahre jung fuhr die junge Neuseeländerin mit ihrem Kajak 3 Monate von Ilulissat zum Kap Farvel. Respekt. Ab 5:00 Uhr sind wir auf den Beinen und beladen unsere Boote. Tara schenkt uns zum Abschied noch ihre übriggebliebenen Müsliriegel. „Die werdet ihr noch brauchen“, meint sie. Um 6:00 Uhr sind wir auf dem Wasser – Kurs Nord. 160 Kilometer sind es bis Narsaq, unserem Winterquartier für die Kajaks. Wir umkurven die Bucht und verlassen damit endgültig die spektakulärsten Berge von Südgrönland. Sie sind absolut einmalig und großartig ist kein Ausdruck für diese Fjordlandschaft. Die Strecke nach Narsaq ist dennoch alles andere als langweilig. Nach einem müden Auftakt mit Gegenwind und gegenläufiger Strömung geht es nachmittgs flotter in Richtung Norden. Abends erreichen wir nach 40 Kilometern den Ort Quvnermiut, eine verlassene Siedlung. Das Wetter sieht

Im Lee bei über 80 km/h Wind

bedenklich aus. Die Wolken lassen nichts Gutes erwarten. Hinter einem Felsblock verkriechen wir uns mit unserem Zelt. Mit dem Sonnenaufgang kommt der Wind. 60 km/h waren angesagt, es pfeift deutlich stärker. Aufrecht gehen ist fast nicht möglich und das Zelt steht suboptimal. Es bleibt uns nichts anderes übrig als das Zelt abzubauen. Wir suchen einen besseren Platz und finden ihn hinter einem mächtigen Felsen im Lee. Dafür schleppen wir unsere Ausrüstung mühsam zu dem neuen Platz. Der Sturm orgelt über uns hinweg. Abwarten! Das Meer schäumt. Am nächsten Vormittag verlassen wir diesen windigen Ort. Draußen auf dem Meer empfängt uns eine kräftige Dünung. Immer wieder klatschen unangenehme Wellen über das Deck. Wir wenden und fahren zurück. Erst am späten Nachmittag wird es langsam besser. Wir beschließen die Insel Uunartoq anzulaufen. Sie ist bekannt für die einzigste warme Quelle in Grönland. „Erwartet von der Temperatur nicht zu viel“, hatte uns Tara mit auf den Weg gegeben. Wir legen abends an, stellen das Zelt auf und sind alleine an diesem blubbernden Pool. Dampf steigt auf. Mit dem aufgehenden Vollmond, steigen wir in das warme Wasser. Es ist nicht gut, nein, es ist absolut der Wahnsinn! Selten so die Wärme genossen. Die Füße graben sich in den warmen Sand. Großartig!

Uunartoq – die einzige warme Quelle in Südgrönland
Der erste Schnee Ende August

Der Herbst zieht ein. Der erste Schnee hat es fast bis ins Tal geschafft. Die Berge sind über Nacht weiß geworden. Wir liegen faul im Zelt. Ein Fehler! Als wir uns nachmittags mit Aufklaren auf den Weg machen, nehmen Wind und Wellen rasch zu. Für die nur kurze Etappe nach Alluitsup Paa brauchen wir Stunden. Wir kämpfen uns durch die Wellen. Immer wieder klatscht die Gischt über unseren Bug und wir tauchen unter den Horizont. Wie gut, dass unsere beiden Kajaks so sicher im Wasser liegen. Das GPS zeigt gerade mal 2 – 3 km/h Geschwindigkeit an. Irgendwann passiert uns ein offenes Motorboot. Das Boot kämpft mit den Wellen. Der Gesichtsausdruck des Bootsführers sagt alles: Fassungslos winkt er uns zu – was machen die beiden Kajaks bei solch einem Wetter auf dem Meer. Umgekehrt haben wir den Eindruck, dass die Kajaks viel seetauglicher sind als die Nußschale mit Außenborder. Heute reiten wir durch die Wellen. Gute Boote haben wir! Je mehr wir uns Alluitsup Paa nähern, umso mehr kommen wir ins Lee der Küste. Den Wind haben wir immer noch auf der Nase. Die Geschwindigkeit nimmt langsam zu (4 km/h) und etwas erschöpft erreichen wir die Siedlung Alluitsup Paa. Eine trockene und warme Unterkunft wäre jetzt sensationell. Wir fragen die neugierigen Kinder am Hafen. Unglaublich: Es gibt ein kleines Hotel in Alluitsup Paa. Wir bekommen sogar ein Zimmer mit heißer Dusche, obwohl uns die dänische Besitzerin kritisch mustert. In unseren Trockenanzügen schauen wir auch aus wie die Alliens vom Mars.

Blaues Eis bei Narsaq

Wetteränderung: Über Satelitentelefon meldet uns unserer Wetterexperte Robin ein zweitägiges Wetterfenster mit Rückenwind und einen Tag Sonne. Danach wieder Sturm. Nichts wie los. Heute haben wir richtig Speed drauf. Nachmittags erreichen wir eine Portage. Eine Holzrampe ermöglicht es kleine Boote und Kajaks 100 m über Land hinüber zu tragen. So sparen wir uns den Umweg über das offene Meer. Die Nacht verbringen wir in der Nähe von Tasiluk. Zwei Buckelwale zeigen uns bei Sonnenuntergang weit entfernt ihre Fluken. Und dann startet die letzte Etappe mit über 50 Kilometer nach Narsaq. Der Nebel liegt  nur 100 m über dem Wasser. Früh passieren wir Qaqortoq. Der Bootsverkehr nimmt zu. Die Grönländer winken uns jedes mal freundlich zu. Mittags kochen wir uns in einer geschützten Bucht eine warme Linsensuppe. Und beinahe hätte ich unsere letzte warme Mahlzeit in den Sand gesetzt. Beim lässigen Umrühren kippt mir der Topf  und um ein Haar rette ich gerade noch die wertvollen Linsen. Energie für den letzten Tag auf dem Wasser. Je mehr wir uns Narsaq nähern, umso mehr nimmt das Eis zu. Immer mehr Eisberge begegnen uns. Die Blautöne im Eis sind fantastisch. Magisch ziehen uns die Eisberge an. Sie sind bei aller Schönheit auch heimtückisch. Bei einer Müsliriegelpause zerbricht der Eisberg neben uns mit unter die Haut gehendem Bersten in seine Einzelteile. Narsaq taucht auf! Überall bunte Häuser. Geschafft: Wir fallen buchstäblich aus den Kajaks. Heute haben wir 51 Kilometer geschafft. Erschöpft und über die Ohren glücklich! Unsere Freunde Paul & Monika empfangen uns fürstlich. Qujanaq – Danke!


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