2023 – Sommer an der Westküste
Einen kompletten Sommer Freiheit. So eine Gelegenheit gibt es nicht oft im Leben. Wir haben sie genutzt! Drei spektakuläre Monate an der grönländische Westküste.

Adrenalin! Nicht weit von unseren beiden Kajaks taucht der massige Körper eines Buckelwals weit aus dem Wasser. Wie aus dem Nichts! Aus dem riesigen Maul fließt Wasser. Er lässt sich zurückgleiten ins Wasser und „winkt“ auf dem Rücken liegend mit den Seitenflossen. Das beobachten wir mehrmals, keine 100 m vom Kajak entfernt. Wie aufregend! Die Tage davor hatten wir bereits riesige Lodden-Schwärme beobachtet. Lodden sind kleine Fische. Tausende davon bilden eine graugrüne Masse im Meer. Und genau darauf haben es die Buckelwale offenbar abgesehen. Gewaltig! Genau wegen solcher Erlebnisse sind wir mit dem Kajak unterwegs.
Zwei Wochen zuvor in Grønnedal / Arsuk: 10 lange Monate haben unsere Kajaks am Heliport des dänischen Militärs in Grønnedal überwintert. Zugleich liegen 10 Monate Vorbereitung für unsere große Reise entlang der Westküste hinter uns. Und das ist der Plan: Zunächst nach Paamiut entlang der Küste mit einer spektakulären „Open Sea“ Etappe. Von Paamiut mit dem Küstenschiff „Sarfaq Ittuk“ huckepack nach Maniitsoq und dann wieder weiter mit den Kajaks durch den Hamburger Sund in den phantastischen Ewigkeitsfjord. Abschließend die Etappe zum Polarkreis nach Sisimiut und ein Hike zum Inlandeis.
Wir tragen die schwer beladenen Kajaks zum Strand hinunter und nehmen Abschied von Grønnedal und den freundlichen Soldaten der einsamen Militärstation. Der erste Paddelschlag von Zehntausenden die noch kommen werden. Good luck! Wir wissen, dass wir uns beide aufeinander verlassen können – egal was kommt. 3 Monate Freiheit, 3 Monate Abenteuer, 3 Monate draußen zu Hause!
2 Tage später sind wir nach einem kurzen „Einfahr-Loop“ im Fjord bereits in Arsuk. Schon früh am Morgen legt der Wind so zu, dass an eine Weiterfahrt nicht zu denken ist. Gegen 11:00 Uhr kocht das Meer. Überall Schaumkronen und brechende Wellen. No way today! Bei unserem Freund Kunuk finden wir erstmal Unterschlupf in der 90 Einwohner Siedlung und warten. Er schenkt mir einen Kescher den er selbst gebaut hat. Damit kann ich vom Kajak aus angeln und Fische einnetzen. Kunuk weiß was es bedeutet, draußen zu überleben. Erst am Abend wird es auf dem Meer langsam ruhiger. Wir beschließen nicht mehr in See zu stechen. Die Morgenstunden sind deutlich ruhiger! So legen wir uns für ein paar Stunden aufs Ohr, bis um 2:00 Uhr der Wecker klingelt. An diesen Rythmus werden wir uns von nun an gewöhnen. Fast 24 h Helligkeit im „Midsommer“ erweitert unsere Fahrtmöglichkeit erheblich, weil wir nicht durch hereinbrechende Nacht ausgebremst werden. Aber generell gilt: Der frühe Vogel fängt den Wurm!
Fast geräuschlos gleiten wir morgens um 3:00 mit den Seekajaks aus dem Naturhafen. Die Arsuker schlafen noch alle an diesem Sonntagmorgen. Hinter der Bucht drehen wir auf Nordkurs. Da ist sie wieder: diese ungeheure Frische, diese Lust auf Neues, die Motivation großartiges zu erleben! Wir fühlen uns wie junge Schlittenhunde im Neuschnee.
Ein spektakulärer Eisberg dümpelt vor der vorgelagerten „Uummannaq“ Insel. Zwischen den Schären fliegen Eidenenten über unsere Köpfe hinweg. Es ist erst halb acht, aber der Wind legt wieder kräftig zu. Der Wetterbericht hatte leider recht. Zu früh gefreut und eigentlich sieht man den Windspeed auch an den geschliffenen Wolken. Wir fahren ein paar Kilometer in eine sichere Bucht und beschließen abzuwarten. Gemeinsam bauen wir das Zelt auf und Ingrid zaubert an diesem strahlend blauen Tag ein phatastisches 5 Sterne Frühstück aus ihrem Kajak heraus. So dösen wir nach dem Brunch in der Sonne, während draußen auf dem Meer der Wind mit deutlich über 20 m/sec (ca. 80 km/h) hinwegfegt. Sturm Nummer 1 – es werden noch weitere kommen. Zum Glück haben wir genug Zeit eingeplant. Die Landschaft ist großartig. Die Knospen der Zwergweide gehen gerade erst auf. Noch liegt Schnee auf den Bergen. Wir genießen den Frühsommer.

2 Tage später erneut früher Aufbruch. Der Wind hat auf Süd gedreht und es ist deutlich ruhiger. Mit schiebendem Rückenwind sind wir auch unglaublich schnell. Wir erreichen die Schlüsselstelle der Etappe nach Paamiut schon gegen Mittag. Ein langgezogener Felsrücken ragt gleich einem riesigem knöchernen Finger ins Meer hinein. Die Felsen sind blank gepült vom ewig anrauschenden Meer. Man braucht nicht viel Phantasie für gruselige Schauergeschichten. Niemand möchte bei Wind und brechenden Wellen diesen Felsen umrunden. Wer dort kentert wird übelst ertrinken oder an den Felsen zerschmettern. Vorsicht, ist die Mutter der Porzelankiste! Auch Kunuk hatte uns gewarnt. Obwohl der Wind noch nicht aufgefrischt hat, beobachten wir das Ganze erstmal aus sicherer Entfernung und schlagen das Zelt auf.

Der Wetterbericht ist für die kommenden Tage hervorragend. Also wie gehabt früh aus den Federn. Vor Sonnenaufgang sitzen wir in den Kajaks. Je weiter wir aus dem Fjord kommen, umso stärker ist die lange Dünung. Ingrid versinkt vor mir immer wieder in den Wellentälern und wird anschließend sanft empor gehoben – phantastische Verhältnisse. Wir sind sehr weit draußen auf dem offenen Meer und queren die anschließende Bucht bei ausgezeichneten Verhältnissen. Wir beide geben uns den Tagträumen hin und paddeln und paddeln. Über 40 Kilometer stehen abends auf der Uhr, als wir im Smallesund anlanden. Nicht weit entfernt von unserem Zelt befindet sich ein Fuchsbau. Die Jungfüchse spielen in der Abendsonne. Phantastisch! Auch die Vegetation legt sich mächtig ins Zeug. Gämsheide und das stängellose Leimkraut leuchten in pink und rot um die Wette.


Die Querung des Eisfjords bei Narsalik ist aufregend. Die Temperatur sinkt schlagartig. Überall Eisschollen und Eisberge in weiß, türkis und blau. Wir suchen uns einen Weg durch das Labyrinth. Das Eis knackt, dreht und schiebt. Spannende Sache! Wir erreichen trotzdem bereits am späten Vormittag Narsalik. Die Insel liegt mitten im Eisfjord. Das Dorf wurde vor ein paar Jahrzehnten aufgegeben. Wir sind nicht wenig überrascht, dass wir herzlichst begrüßt und empfangen werden. Eine Familie aus Paamiut macht Sommerferien. Wir dürfen uns in der warmen Stube aufwärmen. Es gibt Rosinensemmeln und Kaffee. Wir bestaunen all die vielen Bilder an den Wänden. Eine tolle Begegnung!
Nach dem eingangs beschriebenen Buckelwalerlebnis sind es nur noch 2 Stunden bis in die Siedlung nach Paamiut.

Eigentlich liegt ein Hochdruckgebiet über uns, aber der Wind hat den Rauch von Ost- Canadas Wäldern bis nach Grønland herübergetragen. Bei diesigem Wetter laufen wir in Paamiut ein. Es ist warm und wir freuen uns nach 2 Wochen Wildnis auf eine Dusche an unserem ersten Etappenziel. Die Dorfkids sind neugierig und sie dürfen sich natürlich in unsere Kajaks setzen.

Huckepack wollen wir mit dem Küstenschiff „Sarfak Ittuk“ ein Stück mit bis Maniitsoq mitfahren. Während die Kajaks mit dem Kran an Bord gehievt werden, bedauern wir das schon ein wenig. Die Verhältnisse mit leichtem Südwind wären im Moment ideal um am Isblinkgletscher zu kajaken und außerdem unterbricht das irgendwie den Reiserythmus. Aber andererseits gibt es in Grönland noch so viel zu sehen und wir wollen vor allem nicht 3 Monate lang nur stur die Küste hochpaddeln. Wir wollen uns vielmehr Zeit für das Gletschergebiet „Sukkertoppen“ nördlich von Maniitsoq nehmen. Eine Landschaft, die trotz ihrer überwältigenden Schönheit sehr selten besucht wird. Der Ewigkeitsfjord ist unser Ziel.
Von Maiitsoq geht es weiter auf Nordkurs. Wir sind happy wieder draußen zu sein. Keine Ahnung warum die große Insel nördlich von Maniitsoq Hamburger Insel genannt wird. Vielleicht waren dort vor einigen Jahrhunderten Hamburger Walfänger unterwegs. Die Insel hat jedenfalls nichts mit Hamburg gemein. Das Eiland ist alpin und nicht die Spur von flach. Vom Feinsten! Durch den Hamburger Sund führt die Passage. Die Gletscher sind dort gleichmäßig ansteigend. Wäre für Skitouren sicherlich ein lohnendes Ziel.

Fortsetzung folgt in Kürze….